Mittwoch, 28. März 2012

Japan: Mit der Ogasawara-maru von Tokyo nach Chichijima

Beschilderung am Takeshiba Pier
Es ist nun kurz vor 8 Uhr am Morgen und in kurzer Zeit passieren wir die ersten Inseln der Chichijima-Inselgruppe bevor wir pünktlich um 11:30 in Chichijima ankommen.

Meine (erste) Reise auf der Ogasawara-maru neigt sich somit langsam dem Ende zu. Sie war zugleich schlimmer als erwartet, als auch besser als erwartet. Um ehrlich zu sein, ich würde ein Flugzeug jederzeit dieser Schiffsreise vorziehen. Nur gibt es keins, da es keinen Flughafen gibt, und das ist auch gut so. Somit muss man sich entweder auf eine teure und unbequeme Reise in der 2. Klasse einstellen, oder auf eine noch viel teurere Reise in einer der höheren Klassen (eine Nacht in einer Suite in einem Top 5 Sterne Hotel kostet weniger als eine Kabine in der ersten Klasse).

Der "Waterflont" Plaza am Takeshiba Pier an dem sich die Gruppen sammeln
Aber fangen wir am Anfang an. Am Vortag fand ich mich knapp vor 9 Uhr am Takeshiba Pier ein nur um eine endlos lange Schlange vorzufinden, die sich aus dem Gebäude heraus, quer über den ganzen Vorplatz zog. Wie sich zu meiner Erleichterung herausstellte, war das die Schlange der Leute, die bereits ein Ticket hatten… Also hin zum Schalter 4, wo sich eine deutlich kleinere Schlange von vielleicht zehn Menschen befand und pünktlich um 9:00 begann auch schon die Vergabe der Tickets. Mein Versuch eine Studentenermäßigung zu bekommen wurde erwartungsgemäß niedergeschmettert (nur für Studenten japanischer Universitäten) und so blätterte ich meine rund 220 Euro für ein One-Way-Ticket in der 2. Klasse hin, um mich dann an die lange Schlange draußen anzuhängen.

Die Schlange für diejenigen, die bereits ein Ticket für die Ogasawara-maru haben
Endlich am Schalter wurde mir mein Ticket gleich wieder abgenommen und dafür erhielt ich eine „Passagierliste“ und ein neues Ticket. Die Passagierliste füllte ich mit meinen Daten aus und machte mich dann auf die Suche nach meinem Versammlungspunkt. Nur hatte das Boarding bereits begonnen, also reihte ich mich gleich dort ein. Durch eine enge Gangway kam ich endlich aufs Schiff wo mir ein rosa Zettel mit einem Buchstaben und einer Zahl in die Hand gedrückt wurde. Ich dachte mir rosa, super, das wird dann eine der Gemeinschaftskabinen für Frauen sein! Es bedeutete aber auch, dass ich bis hinab in den Bauch des Schiffes musste, wobei aber mein Koffer dankenswerterweise getragen wurde.

Mein Ticket von Tokyo nach Chichijima. Leider musste ich es gleich darauf wieder abgeben.
Die Gemeinschaftskabine war so groß wie mein letztes Hotelzimmer. Darin aufgereiht waren drei Reihen an Decken der Länge nach und fünf Reihen der Breite nach. Meine… nennen wir es Überraschung über die etwas größere Nähe meiner Nachbarn (die Broschüre und Webseite sagt allerdings, dass deutlich mehr Betten als auf dem Bild dort aufgelegt werden können) wurde gleich darauf zu etwas, dass sehr nahe an Panik grenzte, als mehrere Männer in den Raum kamen. Ich wartete, bis sie ihren Fehler einsahen, aber das war nicht der Fall. Sie hatten tatsächlich Nummern für meinen Raum…
Berührungsängste sollte man in der 2. Klasse nicht haben...
Ich entschloss mich zuerst einmal das Schiff zu erkundigen. Mit Handtasche und Kameratasche erkämpfte ich mir einen Platz am Oberdeck und bevor ich es mich versah, legten wir schon ab. Viele Fotos und eine schöne Fahrt durch die Bucht von Tokyo, vorbei an der Rainbow Bridge, Odaiba, dem Flughafen Haneda und Disney Sea, das ganze gekrönt von einem erhabenen Berg Fuji in weißem Gewand, später, musste ich mich der Realität stellen.
Abfahrt aus Tokyo (rechts im Bild ein amerikanisches TV-Team)
Durchfahrt unter der Rainbow Bridge in der Tokyo Bay
Viel los am Haneda Flughafen!
Gaaaaaanz unauffällig schummelt sich da der Fuji aufs Bild :D Und ja, das ist der Pokemon Jet von ANA!
Und noch einmal: All Nippon Airways mit dem Pokemon Jet vor dem Tokyo Tower und der Rainbow Bridge
Es ging wieder hinab in meine Kabine. Wie befürchtet waren die Bettstätten rechts und links von mir belegt. Von Männern. Ich wäre zwar nicht glücklich drüber gewesen so nah mit mir unbekannten japanischen Frauen zu kuscheln, aber selbst in Seitenlage war es aufgrund der Kürze der Bettstätten nicht möglich sich irgendwie hinzulegen ohne an die Nachbar zu stoßen… also machte ich mich auf den Weg zur Information.

Dort teilte man mir mit, dass ich beim an Board kommen sagen hätte sollen, dass ich eine der Kabinen nur für Frauen wollte. Hatte man mir das nicht gesagt? (Nein, hatte man nicht.) Nun waren schon alle voll. (Waren sie vermutlich schon als ich an Board gekommen bin.) Allerdings war eine Reisegruppe nicht gekommen und es waren einige Plätze frei geblieben, ich solle doch mal schauen ob die noch frei waren. Im riesigen Gemeinschaftsschlafraum auf dem C-Deck fand ich dann tatsächlich ein praktisch komplett leeres Eckchen. Ich holte mir zwei Nummern von der Info und nahm damit meinen neuen Platz in Besitz. Als ich mit meinem Koffer ankam, hatten sich rings um mich bereits mehrere Leute jeweils auf zwei Plätzen ausgebreitet. Gut für sie!
Blick von meinem Doppel-Platzerl in die Mitte des Gemeinschafts-Schlafraums der Ogasawara-maru
Der Gemeinschaftsraum war eine Freude, obwohl man aufgrund der vielen Leute annehmen könnte, dass es laut und unerträglich sein würde, war es das Gegenteil. Leute hatten Spaß, lächelten sich an, es war hell und freundlich. Es dauerte eine Weile bis ich bemerkte, dass zu meinen Nachbarn auch zwei Babies gehörten und zwar als vor meinen Augen ein Kidnapping stattfand. Die Eltern des einen Kindes hatten mit ihren Körper und Gepäck eine Art Krippe gebildet und schliefen tief und fest. Die andere Mutter spielte mit ihrem Kind zwei Plätze weiter und als sie merkte, dass das Mädchen zusah, lockte sie sie zu sich. Zusammen spielten die Kinder für über eine halbe Stunde bis die Eltern aufwachten. Aus dem Kidnapping bildete sich dann eine natürliche Babysitting Gemeinschaft. Und nein, hier kannte niemand den anderen. Ich fühlte mich einfach wohl hier.

Ich verschlief den Großteil des Nachmittags. Auf dem Schiff gab es einfach nichts zu tun. Es gibt keinen Salon um einfach nur zu sitzen (ich konnte mich glücklich schätzen, dass ich eine Wand hatte um mich dagegen zu lehnen) und außer den Videoräumen, dem Karaoke und den zwei Restaurants gibt es nur Schlafräume und das Deck um ein bisschen Luft zu schnappen. Also verbrachte ich meine Zeit mit lesen, unterbrochen von Mittagessen und Abendessen.
Abendessen an Board der Ogasawara-maru: Leckerer Wafu-Hambaagu mit Reis und Miso-Suppe
Nach einem atemberaubenden Sonnenuntergang, viel Lesen, viel hin und her wandern treppauf und treppab, etwas Essen und wieder viel Lesen, ging um 10:00 abends das Licht aus. Ich legte mich ebenfalls hin und versuchte zu schlafen.
Sonnenuntergang im Pazifik von der Ogasawara-maru
Ich habe bereits ein Jahr in Japan verbracht und auf Futons am Boden geschlafen, aber eine Decke, und auch nicht zwei, sind kein Futon. Der Untergrund war einfach nur hart. Der Polster war eine Art Nackenkissen in der Ausführung hart und sehr hart (ich hatte ja zwei davon). Wenn ich mich strecken wollte dann waren meine Füße auf der Wand ansonsten blieb mir nur über mich irgendwie zu falten. Direkt über mir war außerdem der Abzug und obwohl der Rest des Raumen praktisch still war (kaum ein Schnarchen und wenn dann nur kurz und leise) so klang es so als würde der Fahrtwind direkt neben mir vorbeiziehen (22 Knoten, kurzzeitig sogar über 24 Knoten). In der Mitte des Raumes war es relativ still, am anderen Ende hörte man hingegen schon wieder das Surren der Getränkemaschinen, dann doch lieber den Wind.

Letztendlich überzeugte ich mich davon, dass ich nicht aus Versehen meine Nachbarin treten würde, wenn ich mich umdrehen würde (sie war Richtung Gang gerutscht und ihre Füße hingen heraus), drehte mich um, nahm die zweite Decke als deutlich bequemeres Kopfpolster, verstopfte meine Ohren mit Stöpseln gegen den Wind und schlief endlich halbwegs ein.

Um halb sechs in der Früh weckte mich das erste Tageslicht. Ich nutzte die Chance vor den meisten anderen wach geworden zu sein für eine schöne heiße Dusche (mit eigener Umkleide, sehr praktisch). Um sechs Uhr früh ging dann auch das Licht wieder an, aber die meisten blieben einfach liegen. Ich aß mein Frühstück, dass ich mir in weiser Voraussicht bereits in Tokyo gekauft hatte und sobald meine Haare trocken waren ging ich an Deck wo die Luft bereits angenehm warm war und die Sonne schien. Nachdem die Restaurants erst um 7 öffneten (und sich vor dem Hauptrestaurant schon eine Schlange, die sich um das Treppenhaus wandte, gebildet hatte), holte ich mir einen warmen Kaffee aus einem der Automaten und zog mich wieder an meinen Platz zurück. Und hier sitze ich nun. Es ist inzwischen halb neun. Zeit wieder mal an Deck zu gehen. Ich habe bereits gestern aufgehört meine Wertsachen mit mir herumzutragen. Erstaunlich wie sicher ich mich hier fühle… gecheckt wird vorm Einlaufen trotzdem zur Sicherheit alles. Aber wenn ich daran denke dass es eine aktuelle Mode in Tokyo ist mit durchsichtigen Handtaschen herumzugehen…
Morgen auf der Ogasawara-maru
Mein Hintern tut weh, Zeit sich wieder zu bewegen.

Add on: Es ist 11:25 und wir legen gerade auf Chichijima an. Die letzten Stunden verbrachte ich an Deck während kleine Inseln vorbeizogen und genoss die Sonne und den Wind und das Meer. Ca. 1h vor Ankunft sahen wir sie plötzlich: Wale! Buckelwale! Und sie sprangen aus dem Wasser und taten all die Sachen, die man aus unzähligen Dokumentationen kennt. Es war geradezu surreal und dennoch fühlte man auf die Entfernung einfach die Lebensfreude bis zu uns überschwappen. Danach hielten wir Ausschau nach Delphinen, aber bis auf potentiell einen (Fotobeweis eventuell möglich) blieb es still. Nachdem ich zum ersten Mal im Leben Wale gesehen habe, beschwere ich mich aber nicht.
Ein Schwarzfußalbatros (Phoebastria nigripes) begleitet unser Schiff in der Nähe von Mukou-jima
Von der Ogasawara-maru kann man sogar Buckelwale (Megaptera novaeangliae) sehen
Ein springender (Breaching) Buckelwal. Ich kann nicht in Worte fassen, wie es sich anfühlt so etwas in ECHT zu sehen, statt in einer Dokumentation. Einfach unglaublich!
Vor der Insel liegt derzeit ein Kreuzfahrtschiff vor Anker, die Fuji-maru. Auf beiden Seiten wurde gewinkt und wir wurden dann auch mit dem Schiffshorn begrüßt. Im Hafen liegt die winzige (!) Hahajima-maru. Ich werde gleich heute meine Tickets kaufen, das Schiff ist WINZIG! Am Steg warten bereits die ganzen Unterkünfte mit Schildern und als wir näher kamen wurden die Banner mit „Willkommen“ ausgerollt. Zeit zusammen zu packen. Ich bin am Ziel.
Das Kreuzfahrtschiff Fuji-maru im Hafen von Chichijima, Ogasawara Inseln
Die kleine Hahajima-maru im Hafen von Chichijima
Die Einheimischen von Chichijima warten bereits auf die Ankunft der neuen Gäste
Letzter Blick auf meinen Schlafplatz auf der Ogasawara-maru bevor es von Board geht

1 Kommentare:

zoomingjapan hat gesagt…

Danke für die detallierte Schilderung!
Sowas in der Art hatte ich schon befürchtet.
Ich weiß nicht, ob es mich da noch irgendwann hinverschlägt, das steht ganz unten auf meiner Liste, aber ich freu mich schon auf weitere Berichte und v.a. Fotos!! :D

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