Sonntag, 11. März 2012

Ein Jahr danach


Menschenleerer Hoshi no Suna Strand auf Iriomote am 12.März 2011
Vor einem Jahr bin ich um 2 Uhr morgens in meinem Zimmer auf Iriomote aufgewacht und habe mir die Seele aus dem Leib gekotzt. Um 8 Uhr früh saß ich in meinem Mietwagen, fühlte mich absolut hundeelend, und fuhr in die nächste Klinik. Am Nachmittag weckte mich das Jaulen der Sirenen aus meinem Medikament-induzierten Schlaf und ich drehte sofort den Fernseher auf, wo sich eine riesige Tsunamiwelle durch das Landesinnere von Tohoku wälzte und alles mit sich riss. Der Reporter im Helikopter wusste nicht, wie er das kommentieren sollte, und ich fühlte mich als würde sich mein Magen unabhängig von meiner Magen-Darm Grippe versuchen auszustülpen.

Es gibt einige Momente im Leben, zumeist persönliche, aber auch einige die den Großteil der Welt bewegen, an die man sich ewig erinnern wird, im Kontext von wo man war und was man gerade gemacht hat. Der 9. September 2001 ist so ein Tag. Der 11. März 2011 ist für viele, mich inkludiert, auch so ein Tag.

Obwohl ich selbst in keiner Gefahr war, machte ich mir Sorgen um meine Familie und Freunde, die vermutlich keine Vorstellung davon hatten wie weit ich tatsächlich entfernt war von all dem. Meine Versuche Freunde in Tokyo und Yokohama zu erreichen waren aufgrund der überlasteten Telefonnetzte gescheitert. Erst am Folgetag erreichte mich mein Lebensgefährte in meinem Hotel. 

Die meiste Zeit meiner Rekonvaleszenz lief der Fernseher, auch in der Nacht. Neben den immer schrecklicheren Bildern der Vernichtungskraft des Tsunami mischte sich immer mehr Panik um das Kernkraftwerk in Fukushima in die Berichte. Kurz bevor ich die Fähre nach Ishigaki nahm, wurde die Tsunami-Warnung auf den Yaeyama Inseln aufgehoben.  Am 14. März landete ich in abends in Tokyo und bezog für eine Nacht mein Flughafenhotel. Ich spürte mindestens zwei stärkere Nachbeben in der Nacht. In der Früh gab es trotz Warnung keine Stromabschaltung.

Am Flughafen war die Hölle los. Eine endlose Schlange wälzte sich zu den Ticketverkaufschaltern.  Viele Menschen wollten Japan einfach nur mehr verlassen, so schnell wie möglich, egal was es kostet.

Ich hatte mein Flugticket in der Hand, wusste, dass ich Japan noch heute verlassen würde und wollte nicht. Über die Jahre haben mir Japan und seine Bewohner so viel gegeben, dass ich es nicht wirklich in Worte fassen kann. Es ist meine Heimat weg von daheim, selbst wenn ich nur für ein Jahr dort gelebt habe.  In dieser Stunde der Not, wollte ich es nicht verlassen.

Nach meiner Ankunft  in Österreich war ich schockiert wie sich die Medien auf den atomaren Zwischenfall in Fukushima stürzten und dabei der Tsunami mit seiner schrecklichen zerstörerischen Kraft und den unzähligen Toden kaum eine Erwähnung fand. Die wahre Tragödie wurde in den Hintergrund gedrängt zugunsten einer Propaganda-Welle gegen AKWs. Ich hatte nicht das Gefühl, dass den Aktivisten etwas an den verstrahlten Teilen Japans lag. Sie nutzten die Situation dort  für ihre eigenen Zwecke und das erzeugte so viel Wut und Ärger in mir. Als hätte ein geliebter Mensch Lungenkrebs und statt ihm zu helfen wieder gesund zu werden, versuche man ein Zigarettenverbot einzuführen.  Nicht das letzteres an sich verwerflich ist, nur fühlte ich mich als wären die Prioritäten verschoben.

Jetzt sind wir hier, ein Jahr später und trotz aller Schwarzmalerei geht das Leben, auch in Japan, weiter. 

Ich unterstütze Japan auf meine Weise. 

Mein Flug ist gebucht.

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Richtig toll geschrieben, stimmt auf jeden Fall! Du hast echt Talent fürs schreiben ;)

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